Was einfach aussieht, ist in Wahrheit eine anspruchsvolle Aufgabe: geschmeidige Übergänge, die – richtig ausgeführt – ein Zeichen für gutes Reiten sind. Was machen gute Übergänge aus? Wie werden sie geritten und was sind häufige Fehler in der Ausführung?
«Ein Ruck im Maul, schon steht der Gaul» – der etwas zynische Satz ist leider oft traurige Realität in der Reitbahn. Statt eines weichen und fliessenden Überganges endet die Bewegung des Pferdes in einem plötzlichen «Rums» bei dem sich weder Reiter noch Pferd Wohl fühlen. Eine gelungene Vorbereitung für eine gut gerittene halbe oder ganze Parade entsteht durch einen – mehr oder weniger – ausgeprägten Moment vermehrter Last-aufnahme der Hinterhand und nicht durch ein Abstützen über die Vorhand.
Mögliche Übergänge
Übergänge sind Gangartenwechsel, Tempowechsel bis zur ganzen Parade in den Halt. Vom Schritt in den Trab oder Galopp, vom Trab in den Schritt oder Galopp oder vom Galopp in den Trab oder Schritt. Bei einem Tempowechsel innerhalb einer Gangart ist das ein Zulegen oder Rückführen innerhalb der Gangart mit angepasster Erhöhung des Versammlungsgrades.
Übergänge sagen sehr viel aus über die Durchlässigkeit und Ausbildungsstand des Pferdes und über das Zusammenspiel und Effektivität der Hilfen des Reiters aus.
Schritt – Trab – Schritt und Galopp – Trab – Galopp
- Diese Übergänge fördern die Schubkraft und bringen folgendes
- Beckenbewegung wird zum Abkippen gebracht
- Aufwölben der Wirbelsäule
- Stabilisierung der Wirbelsäule
- Entlastung des Nacken-Rückenbandes
- Training der Bauchmuskeln
Bei fortgeschrittenen Übungen bieten sich Übergänge mit versammelnder Wirkung an. Dazu zählen
Trab – Halt und Galopp – Schritt – Galopp
Tempounterschiede zwischen Arbeitstempo und Versammlung als Förderung der Tragkraft und in der Verstärkung für die Schub- und Tragkraft verbesserung
- Vermehrte Beckenkippung
- Stärkere Hankenbeugung
- Aufwölbung der Lendenwirbelsäule
- Entlastung Nacken- Rückenbandes
- Stärkung der Hinterhandmuskulatur
- Training der Bauchmuskeln
- Verlagerung des Schwerpunktes in Richtung Hinterhand
Rückwärtsrichten
Das Rückwärtsrichten fördert die Versammlungsfähigkeit eines Pferdes und stärkt die Hinterhand. Damit diese positiven Effekte auch eintreten, gilt es auf eine korrekte Ausführung zu achten. Das Pferd muss im Zweitakt diagonal nach hinten treten und den Hilfen durchlässig und ohne Spannung folgen. Für den Anfang reichen wenige Tritte. Maximales Rückentraining wird bei sanfter Steigung im Rückwärtsrichten erzielt. Vorsichtig
Es ist sehr anstrengend für das Pferd und es erfordert viel Sensibilität vom Reiter.
Die Übung bringt
- Vermehrte Hankenbeugung
- Aufwölben der Lendenwirbelsäule
- Entlastung des Nacken- Rückenbandes
- Intensiver Wechsel zwischen Tagen und Schieben, erhöhte Muskelbeanspruchung
- Kraftaufbau der Hinterhand
- Training der Bauchmuskeln
Biegearbeit
Jegliches Arbeiten auf gebogenen Linien verkürzt die Innenseite der Muskulatur. Auch die des langen Rückenmuskels, und dehnt die Aussenseite. Auf diese Weise wird die Beweglichkeit der Hinterhand verbessert und die Lastaufnahme gefördert. Auf lange Sicht gesehen wird die Geraderichtung und Versammlung aufgebaut. Die Schlangenlinien mit drei und vier Bögen fördern zusätzlich die Beweglichkeit im Schultergürtel und Kräftigen diese Partie. Gleichzeitig ist der Handwechsel immer gegeben.
Dieses führt zu
- Förderung der lateralen Beweglichkeit (Seitengänge aufbauen)
- Kräftigung der seitlichen Bauchmuskulatur
- Verbesserung der Geraderichtung
- Förderung der Tragkraft
- Anheben des Schultergürtels
- Vermehrte Schulterfreiheit
Galopparbeit
Viele Pferde werden zu wenig im Galopp gearbeitet. Dabei ist gerade diese Gangart so wichtig für den Pferderücken. Durch den natürlichen Bewegungsablauf des Galopps erreicht das Pferd in der Flugphase Sprung für Sprung einen Moment, in dem sich alle vier Beine aufwärts Richtung Rumpf bewegen. Dabei spannt sich die Bauchmuskulatur des Pferdes an, und der Rücken wird angehoben. Voraussetzung dafür ist ein taktreiner und rund gesprungener Galopp in frisch vorwärts gerittenem Arbeitstempo.
Was dieses galoppieren bringt
- Training der Bauchmuskeln
- Anheben der gesamten Rückenlinie
- Kräftigung sämtlicher Muskeln
Wechselnde Kopf-Hals-Einstellung
Reiten in Dehnungshaltung vorwärts-abwärts, reiten in «Gebrauchshaltung» und reiten in relativer Aufrichtung – so sollte die Arbeit mit einem Pferd, natürlich immer passend zum jeweiligen Ausbildungsstand aussehen. Ausschliessliches Reiten im Vorwärts-Abwärts bringt das Pferd auf die Vorhand, verhindert auf Dauer das wichtige Unterfussen der Hinterbeine Richtung Schwerpunkt und somit eher rückenschädlich als hilfreich. Ausschliessliches Reiten in Aufrichtung ermüdet dagegen die Halsmuskulatur, führt zu Kompensation über den Rückenmuskel, zu Verspannungen bis zu Rückenproblemen. Die Kunst liegt im Wechsel der Halspositionen. Je weiter ein Pferd ausgebildet ist und je kräftiger sein Oberhalsmuskulatur ist, desto länger kann es in versammelnder Gangart gehen. Noch wenig ausgebildete oder jüngere Pferde sollten nur für kurze Zeit in Aufrichtung geritten werden.
Plötzliches Hinter-die-Senkrechte-Geraten, Aufrollen, Zähneknirschen, Schweifschlagen – all das kann ein Hinweis auf eine Muskelübermüdung oder Überforderung sein und muss mit einer aktiven Dehnungshaltung oder passivem Schritt am längeren Zügel aufgelöst werden.
Reiten und unterschiedlichen Halspositionen bringen
- Verbesserte Durchblutung des Rückenmuskels
- Verhinderung von Ermüdung durch Verspannung / Sauerstoffmangel / Übersäuerung
- Unterstützen der Funktionskette Halswirbelsäule – Rücken (beim Absenken Erhöhung des Zuges auf das Nackenrückenband mit Anheben des Brustbeines und Auffächerung der Brustwirbel nach vorne.
Cavaletti-Arbeit
Das Reiten über Cavaletti lädt die Pferde ein, sich leicht vorwärts-abwärts an die Reiterhand heran zu dehnen. Zusätzlich muss es über die Bodenricks die Beine aktiver anheben und mit der Hinterhand unter den Schwerpunkt fussen. Diese Arbeit mit dem Pferd bringt
- Aufwölben der gesamten Oberlinie (auch im Bereich der Brustwirbelsäule)
- Aktivierung der Vorderbeine, Schultergürtel und Hinterbeine
- Allgemeine Verbesserung der Anlehnung und Losgelassenheit
Gymnastikspringen
Jedes Pferd sollte ab und zu über Hindernisse geritten werden. Das bringt Abwechslung in den Trainingsalltag und hilft den Rücken zu lockern. Kleine Hindernisse, geritten aus einem fleissigen Galopp, sind Gymnastik für Pferde aller Sparten. Dabei ist zu achten, dass das Pferd ruhig und gelassen an den Sprung herantritt. So bringen die In-Out Hindernisse positive Effekt wie
- Aufwölbung der gesamten Oberlinie
- Vermehrte Hankenbeugung
- Vermehrte Kraftentwicklung in der Hinterhand
- Training der Bauchmuskeln
Bergauf- und Bergabreiten
Das Reiten in unebenem Gelände trainiert Muskeln, Bänder und Gelenke, die im Training sonst nicht so gut oder intensiv erreicht werden. Geht das Pferd bergauf, muss das Pferd seine Körpermasse kraftvoll mit seiner Hinterhand schieben. Dabei senkt es automatisch seinen Hals und nimmt eine Dehnungshaltung ein – Schubkrafttraining pur. Beim Berg-abreiten dagegen wird sich ein Pferd instinktiv aufrichten und mit seinen Hinterbeinen weiter unter seinen Schwerpunkt nach vorne fussen, um nicht vornüber zu kippen – Tragkrafttraining in der Vollendung. Abhängig vom Trainings- und Gesundheitszustand des Pferdes muss hier natürlich behutsam vorgegangen werden und die Anforderungen dürfen erst nach und nach gesteigert werden. In unebenem Gelände reiten fördert
- Die Schub- und Tragkraftentwicklung
- Deutliche Aufwölbung der Oberlinie (bergauf)
- Deutliche Aufwölbung der Lendenpartie (bergab)
- Allgemeiner Kraftaufbau
Travers oder Kruppeherein
Travers ist ein Seitwärtsgang, der beim Westernreiten «Kruppeherein» / Hip-Control genannt wird. Hierbei wird die Kruppe des Pferdes nach innen verschoben. Die Vorhans läuft weiterhin gerade auf dem Hufschlag. Das Pferd ist leicht in die Bewegungsrichtung gebogen. Wenn diese Übungen in allen Gangarten funktionieren, wird das Pferd mehr auf der Hinterhand aktiv sein, seine Schultern leichtfüssig frei bewegen und über seinen Rücken getragen die Lektionen ausführen.